Wie entstehen Galaxien und was verbindet sie? Astronomen gehen davon aus, dass dunkle Materie eine wesentliche Rolle spielt.
Allerdings konnte die Existenz von Dunkler Materie noch nicht direkt nachgewiesen werden. Ein Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) hat die Überlebensrate von Heliumkernen aus den Tiefen der Galaxie gemessen – eine Voraussetzung für die indirekte Suche nach Dunkler Materie.
Vieles deutet auf die Existenz von Dunkler Materie hin. Die Art und Weise, wie sich Galaxien in Galaxienhaufen bewegen oder wie schnell sich die Sterne um das galaktische Zentrum drehen, führt zu Berechnungen, die darauf hindeuten, dass es viel mehr Masse geben muss, als wir sehen können. Etwa 85 Prozent unserer Galaxie, beispielsweise der Milchstraße, besteht aus unsichtbarer Materie, die nur aufgrund ihrer Gravitationswirkung erkannt werden kann. Auch heute noch ist es nicht möglich, die Existenz dieser Substanz direkt nachzuweisen.
Viele theoretische Modelle der Dunklen Materie sagen voraus, dass sie aus Teilchen bestehen könnte, die schwach miteinander wechselwirken. Dabei entstehen Antihelium-3-Kerne, die aus zwei Antiprotonen und einem Antineutron bestehen. Auch diese Kerne entstehen bei hochenergetischen Kollisionen zwischen kosmischer Strahlung und gängigen Materialien wie Wasserstoff und Helium – allerdings mit anderen Energien als bei der Wechselwirkung von Teilchen der Dunklen Materie zu erwarten.
Bei beiden Prozessen entstehen Antiteilchen tief in der Galaxie, Zehntausende von Lichtjahren von uns entfernt. Einige von ihnen machen sich nach ihrer Entstehung auf den Weg in unsere Richtung. Wie viele dieser Teilchen diese Reise unbeschadet überstehen und den Erdumfang erreichen, während die Boten ihres Entstehungsprozesses die Transparenz des Heliumkerns in der Milchstraße bestimmen. Bisher konnten Wissenschaftler diesen Wert nur grob schätzen. Eine verbesserte Annäherung an die Transparenz, ein Maß für die Anzahl und Energie von Anti-Kernen, wird jedoch für die Interpretation von Antihelium-Messungen in Zukunft wichtig sein.
Der Teilchenbeschleuniger LHC als Antimateriefabrik
Forscher der ALICE-Kollaboration haben nun Messungen durchgeführt, mit denen sie Transparenz erstmals genauer definieren konnten. ALICE steht für Large Ion Collider Experiment und ist eines der größten Experimente der Welt zur Erforschung der Physik auf kleinsten Längenskalen. ALICE ist Teil des Large Hadron Collider (LHC) am CERN.
Der LHC kann große Mengen an leichten Antikernen wie Antihelium erzeugen. Dazu werden sowohl Protonen als auch Bleiatome auf Kollisionskurs gebracht. Die Kollisionen führen zu Teilchenschauern, die dann vom Detektor des ALICE-Experiments aufgezeichnet werden. Dank der vielen Detektorsubsysteme können die Forscher dann die gebildeten Antihelium-3-Kerne nachweisen und ihre Spuren im Detektormaterial verfolgen. Damit lässt sich die Wahrscheinlichkeit bestimmen, dass ein Anti-Helium-3-Kern mit dem Detektormaterial wechselwirkt und verschwindet. Wissenschaftler der TUM und des Exzellenzclusters ORIGINS haben maßgeblich zur Analyse der experimentellen Daten beigetragen.
Die Galaxie ist für antinukleare transparent
Mithilfe von Simulationen konnten die Forscher die Ergebnisse des ALICE-Experiments auf die gesamte Galaxie übertragen. Das Ergebnis: Etwa die Hälfte der Antihelium-3-Kerne, die bei der Teilchenwechselwirkung der Dunklen Materie erwartet wurden, werden es bis in die Nähe der Erde schaffen. Unsere Milchstraße ist also zu 50 Prozent für diese Antikerne durchlässig. Für Antikerne, die durch Kollisionen zwischen kosmischer Strahlung und dem interstellaren Medium erzeugt werden, reicht die resultierende Transparenz von 25 bis 90 Prozent, wenn der antinukleare Impuls mit Helium-3 zunimmt. Antinuklei können jedoch aufgrund ihrer höheren Energie von denen unterschieden werden, die von dunkler Materie erzeugt werden.
Das bedeutet, dass Anti-Helium-Kerne nicht nur weite Strecken in der Milchstraße zurücklegen können, sondern auch als wichtiger Informant in zukünftigen Experimenten dienen: Je nachdem, wie viele Anti-Kerne mit welchen Energien die Erde erreichen, könnte der Ursprung dieser reisenden Boten sein sehr gut sein. Dank neuer Berechnungen wurden sie als kosmische Strahlung oder dunkle Materie interpretiert.
Eine Referenz für zukünftige antinukleare Messungen im Weltraum
„Dies ist ein hervorragendes Beispiel für eine interdisziplinäre Analyse, die zeigt, wie Messungen in Teilchenbeschleunigern direkt mit der Untersuchung kosmischer Strahlung im Weltraum verknüpft werden können“, sagt ORIGINS-Professorin Laura Fabetti vom Tom’s College of Natural Sciences. Die Ergebnisse des ALICE-Experiments am LHC sind von großer Bedeutung für die Suche nach Antimaterie im All mit dem Modul AMS-02 (Alpha Magnetic Spectrometer) auf der Internationalen Raumstation (ISS). Ab 2025 wird das GAPS-Ballonexperiment über dem Nordpol auch die einfallende kosmische Antihelium-3-Strahlung untersuchen.
Mehr Informationen:
An der Anti-Helium-3-Reaktion unter der Leitung von Professor Dr. Laura Fabetti waren Forschungsgruppen um Professor Dr. Alejandro Ibarra von der TUM und Dr. Andrew Strong vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik beteiligt. Diese Forschung wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über die ORIGINS-Exzellenzgruppe, EXC 2094 – 390783311 und den Kooperativen Forschungsbereich SFB1258 gefördert.
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