Erst Deutschland, dann der Euro?
Bei der Bundestagswahl steht viel auf dem Spiel. Klimawandel, demografischer Wandel, Energiewende und der Strukturwandel vom verarbeitenden Gewerbe zum Dienstleistungssektor, um nur einige der aktuellen Themen zu nennen. Was die Wirtschaft, den Rest der Eurozone und die Finanzmärkte anbelangt, wird unserer Meinung nach das Hauptaugenmerk darauf liegen, ob Deutschland mit einer angemessenen Fiskalpolitik fortfährt und welche Pläne zur weiteren Vertiefung der Währungsunion bestehen. In Bezug auf fiskalische Anreize scheint ein breiter Konsens über die Notwendigkeit von mehr Investitionen und fiskalischen Anreizen zu bestehen, wobei die Meinungen über deren Umfang und ihre Finanzierung stark auseinander gehen. Hinsichtlich des Niveaus der Eurozone gehen die Meinungen und Vorschläge viel stärker auseinander. Die Grünen verfolgen den eher „föderalen“ Ansatz, während die gestrige Erklärung der CDU die Träume von einer Fiskalunion deutlich einschränkt.
Die Entwicklung der letzten Monate hat gezeigt, dass die deutsche Politik oder zumindest die Wählerunterstützung flexibler geworden ist. Große Schwankungen in den Umfragen sind normal geworden. Mit etwa drei verbleibenden Monaten sollte also niemand voreilige Schlüsse über den Ausgang der Wahlen im September ziehen. Aufgrund der jüngsten Entwicklungen haben wir unser Basisszenario jedoch erweitert und sehen CDU/Grüne und CDU/FDP als wahrscheinlichstes Ergebnis (oder vielleicht sogar einen weiteren Versuch, die drei Parteien wie im Jahr 2017 zu einer Koalition zu bringen). Unseres Erachtens verheißt jedes dieser Ergebnisse Gutes für weitere fiskalische Impulse in Deutschland, aber wir erwarten keine größeren Änderungen in der Fiskalpolitik auf Ebene der Eurozone. Angesichts der sehr offenen Ansichten der CDU dürfte eine Koalition mit den Grünen kaum Ideen für eine dauerhaftere Verankerung des European Recovery Fund und eine engere fiskalische Integration bieten. Während in anderen Ländern die politischen Spaltungen um Europhile und Euroskeptiker kreisen, trennt in Deutschland nur der Grad der Integration der Eurozone die Parteien. Derzeit sieht es so aus, als ob der große deutsche Drang nach mehr fiskalischen Anreizen in der Eurozone eher mit einer „Germany first“-Investitionsagenda und einigen unruhigen Effekten für den Rest der Eurozone als mit einem „Euro First“-Vorstoß einhergehen wird. Während dies für die Feds der Eurozone eine schlechte Nachricht ist, ist es eine gute Nachricht für Analysten und Kommentatoren, da die endlose Debatte darüber, was passieren sollte und was passieren soll (oder politisch akzeptabel ist), weitergehen wird.
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