ichn Einige Jahre Angela Merkels Zeit mag als eine goldene Ära in Erinnerung bleiben, in der potenziell trennende Entscheidungen verschoben, Dilemmata durch fröhliches Leugnen verdeckt und Konflikte mit echtem oder eingebildetem, geliehenem oder gedrucktem Geld übertüncht werden konnten. Deutschland, wohlhabend und mächtig, wurde zum Vorbild für andere EU-Mitgliedstaaten, teilweise weil ihre politische Klasse glaubte, dass der deutsche Weg auch ihr eigener sein könnte und sollte.
Dies spiegelte aber auch eine sich abzeichnende, quasi-imperiale Konstellation wider, unter der Deutschland als Zentralmacht die Fähigkeit erlangte, in die Innenpolitik der Peripheriestaaten einzugreifen. Entweder indirekt, indem über Brüssel festgelegt wurde, welche Politiken, insbesondere in Wirtschaftsfragen, innerhalb des Binnenmarktes und der Europäischen Währungsunion (EWU) zulässig waren; oder direkt, indem sie ihre Regierungen auswählen, wie in Italien und Griechenland.
Hinzu kommt eine Besonderheit der deutschen Innenpolitik: eine stark unterentwickelte (oder besser zurückhaltende) öffentliche Debatte über die nationalen Interessen des Landes, ein Konzept, das im zivilisierten deutschen öffentlichen Diskurs keinen Platz hat. Über den Endzustand der sogenannten „europäischen Integration“ wird in Deutschland kaum diskutiert. Dies ist unabhängig von der Richtung der Integration, vor allem, weil jede Richtung, die sie einschlägt, in der deutschen Öffentlichkeit nur richtig ist. Dass sich nie jemand die Frage stellt, wie Deutschland in das europäische Projekt passt, wenn es einmal fertig ist, liegt wohl am Selbstbewusstsein eines Landes, das nach und nach zu einer quasi-imperialen Position in Europa herangewachsen ist. Eine, in der es sich sicher anfühlt, zu erwarten, dass sich die Dinge so entwickeln, wie sie es sich wünschen.
Es ist Teil jedes imperialen Bewusstseins, die eigenen nationalen Interessen mit gemeinsamen allgemeinen, reichsweiten Interessen zu identifizieren und sie stillschweigend zu verwandeln Werte angenommen, dass sie für alle vernünftigen Menschen akzeptabel und von ihnen akzeptiert sind. Damit einher geht eine unschuldige Bereitschaft, imperiale Macht einzusetzen – ideologisch, materiell, notfalls auch erzwingend (…)
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