Irgendwie hat doch jeder schon einmal von ihm gehört – diesem Mythos, dass man heruntergefallenes Essen, solange man es nach nur drei, fünf oder zehn (Einige Regionen und Länder sind da etwas mutiger, manchmal etwas zaghafter!) Sekunden wieder aufhebt, bedenkenfrei weiteressen kann. Generationen über Generationen haben diese Legende weitergereicht und an ihre Kinder und Kindeskinder vererbt, aber wo kommt sie eigentlich her? Wo ist ihr Ursprung?
Kanon ist mittlerweile, dass sie den ganzen Weg bis ins 13. Jahrhundert zum mongolischen Herrscher Dschingis Khan zurückreicht. Laut Ernährungswissenschaftler Paul Dawson und Mikrobiologe Brian Sheldon soll dort bereits die „Khan-Regelung“ in Kraft getreten sein: „Wenn Essen auf den Boden gefallen ist, konnte es dort so lange bleiben, wie Khan es erlaubte.“ („If food fell on the floor, it could stay there as long as Khan allowed.”). Die Idee dahinter sei gewesen, dass das für ihn zubereitete Essen von so umwerfender Qualität gewesen wäre, dass es gar nicht schlecht werden konnte. Aha!
Nun, abseits des magischen Essens gab es im 13. Jahrhundert selbstverständlich nicht das Verständnis und Wissen über Mikroorganismen und deren Verbindung zur menschlichen Gesundheit, wie es in der Jetztzeit zur Verfügung steht. Seit den letzten gut 50 Jahren gab es immer wieder Versuche anhand von Studien die Regel entweder zu bestätigen oder zu widerlegen – mit gemischten und teils widersprüchlichen Ergebnissen. Die erste von Experten begutachtete Studie erfolgte 2006 an der Clamson Universität in South Carolina und wurde im Jahre 2016 durch die Professoren Donald Schaffner und Robyn Miranda erweitert.
Das grobe Fazit? Essen vom Fußboden ist nicht sicher und zum Teil nach nur einer Sekunde vollständig kontaminiert. Das etwas komplexere Fazit? Es kommt sowohl auf den Fußboden als auch auf das Essen an.
Die Studie brilliert mit über 2500 Messungen in 128 unterschiedlichen Szenarios und Gemischen aus verschiedenen Bodenbelägen und Nahrungseigenschaften. Genutzt wurden ein Stück Wassermelone, Weißbrot, gebuttertes Weißbrot sowie Weingummiwürmer für den komplexesten Mix aus verschiedenen Dichten und Feuchtigkeitsgehalten.
Am gravierendsten waren die Ergebnisse für die Wassermelone – die Studie zeigt, dass wenn mindestens eine der Oberflächen feucht oder nass ist, die Übertragung der Bakterien in Windeseile vonstattengeht. Hier machte es auch keinen Unterschied auf welchem Boden die Melone landete. Interessanterweise war es das komplette Gegenteil bei den Weingummiwürmern; hier fand der geringste Austausch von Bakterien statt. Bei allen Szenarien war der Konsensus, dass umso länger der Kontakt herrschte, desto mehr Mikroorganismen anschließend gefunden werden konnten. Allerdings wiegt das in falscher Sicherheit: Bakterien wanderten unwahrscheinlich schnell, mit sofortigen oder unter einer Sekunde dauernden Übertragungen.
Übrigens, der Teppichboden schnitt unter allen Mitstreitern tatsächlich am besten ab – die Wissenschaftler führten es auf die eng gewebten Fasern zurück.
Aber auch für den Rest sorgt ein sauberer Boden nicht nur für ein gutes Gewissen, sondern tatsächlich auch für bessere Gesundheit. Stiftung Warentest plädiert dafür etwa zwei- bis dreimal wöchentlich Staub zu saugen und einmal wöchentlich mit Wischmopp oder Kehrer zu reinigen. Besonders in Räumen wo der Kontakt mit Essensresten oder Feuchtigkeit, wie in Küche oder Bad, groß ist, ist dies von besonderer Wichtigkeit. Sollten diese auf den Boden fallen, einfach direkt sauber und trocken wischen. Man denke nur, wenn ein Stückchen Wassermelone bereits nach unter einer Sekunde gefährlich hoch mit Bakterien besiedelt ist, was ein vergessener oder ignorierter Soßenfleck alles anrichten kann?
Am Ende des Tages gilt es, den gesunden Menschenverstand zu nutzen. Ein heruntergefallener, trockener Keks auf frisch gesaugtem Teppichboden wird wahrscheinlich weniger problematisch sein als eine Kugel Eis, die auf dem Sandweg landet. Unser menschliches Immunsystem arbeitet pausenlos und ist in konstantem Austausch mit angreifenden Bakterien; es wird im Normalfall mit einem Angriff von einem auf den Boden gefallen Stück Müsliriegel gut zurechtkommen. Wer allerdings schon mit einer geschwächten Gesundheit zu kämpfen hat, der ignoriert diesen Mythos der 3-Sekunden-Regel vielleicht lieber doch komplett.
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