NSAngeblich aus Soundtrack und Archivmaterial komponiert, wirkt der neue Film der deutschen Regisseurin Ulrike Ottinger wie eine stilistische Abkehr von den Avantgarde- und Karnevalsarbeiten des queeren Radikalismus, für den sie bekannt ist. Neben dem gemächlichen Tempo und der umfassenden Erzählung von Ottingers Erfahrungen im Paris der 1960er Jahre als aufstrebende Künstlerin gibt es eine bewusste politische Verspieltheit, die ihre Fähigkeit zeigt, verschiedene Kunstformen und Erzählstile zu integrieren.
Getreu seinem Titel rollt der Film wie ein Kalligramm, ein Textformat, bei dem Wörter so angeordnet werden, dass sie ein Bild zu einem bestimmten Thema bilden. Oettinger Erinnerungen an vergangene Begegnungen mit intellektuellen und künstlerischen Stars verbinden sich zu einem Bild von Paris, und sie ist es auch. Calligrammes ist der Name einer Buchhandlung von Fritz Becker, die zu einem literarischen Paradies für jüdische Einwanderer wurde. Hier trifft Oettinger auf Tristan Tzara und Walter Mering. Die endlosen Möglichkeiten des Lebens in Paris gehen weiter, wie zum Beispiel neben Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir in Cafés zu arbeiten, Georges Miller-Filme in der Cinematheque Francis-Henri Langlois anzusehen und Juliette Greco in Nachtclubs zu lauschen.
Paris Calligrammes erheben sich jedoch über leere Nostalgie. In einem Film voller Bilder und Referenzen wird Ottingers Stimme zu einem faszinierenden und trügerischen Anker: Der gemessene Ton, kombiniert mit der reifen Erdigkeit der Stimmbänder, erzeugt eine atemberaubende Maserung, die sich dem Bild von Paris als kreativer Utopie widersetzt. Zwischen hochkarätigen Begegnungen angesiedelt, erzählt Oettinger von Frankreichs Kolonial- und Rassengeschichte, einschließlich des fast vergessenen Pariser Massakers 1961. Letztlich ist dieser aufwendige Dokumentarfilm eine psychologisch-geografische Übung von höchster Potenz und Entschlossenheit, die vor Freude und politischer Dringlichkeit strotzt. Einmal.
Paris Calligrammes kommt am 27. August in die Kinos
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